Wie verhext: Kaum zwölf Vollmonde nach ihrem dritten Opus Dance With The Devil melden sich Burning Witches gestählt und überlegen mit The Witch Of The North zurück, ihrem bislang feurigsten und donnerndsten Werk. Ein Album mit dem Rüstzeug zum modernen Metal-Klassiker, zum Referenzwerk des wahren, des echten Stahls. Ganz klar: Wer nach nur einem Jahr mit einem solchen Hexenhammer um die Ecke biegt, muss mit Magie im Bunde sein. Mit schwarzer Magie.
War diese Band natürlich schon immer. Seit fünf Jahren drücken die Hexen aus der Schweiz der internationalen Metal-Welt ihren okkulten Stempel auf. Sie behaupten sich nicht nur in einer Männerdomäne; sie läuten eine dringend nötige Wachablösung ein. Das Triptychon aus Burning Witches (2017), Hexenhammer (2018) und Dance With The Devil (2020) brachte sie im Nu auf Festivals wie das Wacken Open Air, Summer Breeze oder das Rockharz Open Air, die Schlachthymnen dieser ersten drei Platten sind bis heute nicht verhallt.
Wenige Bands etablierten sich in der jüngeren Vergangenheit schneller als Burning Witches, wenige schreiben mit traumwandlerischer Sicherheit diese zeitlosen, großen Songs, die Judas Priest unterm Herzen tragen ohne gleich zum Nostalgiker zu werden und dennoch immer stärker eine eigene Handschrift erkennen lassen. „Wir stehen nicht auf allzu große Experimente“, bekennt Gitarristin und Hauptkomponistin Romana Kalkuhl. „Wir brennen für den klassischen Metal von Maiden, Priest und Slayer. Für mich gibt es einfach nichts Besseres als diese Musik, also werden sich Burning Witches immer treu bleiben. Wenn du zu mir zum Grillen kommst“, lacht sie, „wirst du nur sehr selten eine Platte hören, die nicht in den Achtzigern geboren wurde.“
Von den Achtzigern direkt in die Gegenwart: 2021 schlagen die Hexen ihr Grimoire auf einer besonders packenden Seite auf: Ein Album, geschmiedet in den Feuern einer Pandemie und mit Geduld, Raffinesse und pechschwarzem Herzblut in einer Zeit erschaffen, in der sich auch der schweizerisch-niederländische Hexenzirkel in die Isolation und die Schweigsamkeit der dunklen Wälder zurückziehen musste. Dort brüteten sie über neuen Zaubersprüchen, über neuen Wegen, ihren wirkungsvollen Zauber in die Welt zu weben. Für Freya, für die Druidinnen, für die Hexen als Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
„Wir sind enge Freundinnen, die unglaublich gerne Zeit miteinander verbringen“, so Romana. „Uns macht nichts so sehr Spaß wie Musik, also machen wir entsprechend viel Musik zusammen. Natürlich gehen wir auch mal zusammen in eine Kneipe, aber weil das ja gerade eh nicht möglich ist und wir auch keine Konzerte spielen können, schrieben wir neue Songs und probten mehr denn je.“ Burning Witches nutzten den Lockdown vorbildlich, um noch bessere Musikerinnen zu werden. „So viel Zeit für neue Musik“, sagt Ramona, „hatten wir noch nie. Dieses Album entstand völlig ohne Druck“. Angestachelt wurden die fünf auch von den umwerfenden Reaktionen der Fans auf Dance With The Devil. „Niemand von uns hätte sich erträumen lassen, was in den letzten fünf Jahren mit uns passiert ist. Das lässt unsere Flamme umso heller lodern.“
Schön ist, dass man genau dieses Feuer, diese Begeisterung in den neuen Songs prasseln hört. Seit 2020 komplettiert von der neuen Gitarristin Larissa, machen Romana (Gitarre), Laura (Gesang), Jay (Bass) und Lala (Schlagzeug) dem Nachnamen des Neuzugangs alle Ehre: The Witch Of The North klingt entfesselt und aus einem Guss. Da haben sich fünf Vollblutmusikerinnen gesucht und endgültig gefunden. „Larissa ist alles andere als eine Unbekannte, wir kennen uns seit der ersten Klasse“, eröffnet uns die Gitarristin. „Seit sie bei uns ist fragen wir uns alle, warum das nicht schon viel früher passiert ist. Jetzt fühlt es sich so an, als würden wir schon ewig zusammen spielen. Wir haben das Gefühl, dass wir jetzt alle angekommen sind. So gut war die Chemie bei Burning Witches noch nie.“ Von den Solokünsten der Neuen ganz zu schweigen. Ramona lachend: „Wir waren alle vollkommen von den Socken über die Soli, die sie sich aus dem Ärmel schüttelte. Einfach unfassbar!“
Ende 2020 in mehreren Etappen bei Schweizer Metal-Legende V.O. Pulver aufgenommen und produziert von Thrash-Titan Schmier (Destruction), holt die Band in ihrer bisher stärksten Inkarnation mehr aus ihrem explosiven Heavy Metal heraus denn je. „Wir kennen uns gut und er weiß genau, was wir wollen. Er bringt uns immer wieder dazu, noch eine Schippe draufzulegen“, rekapituliert Romana die mehrwöchigen Aufnahmen Ende 2020. Die Agenda im Little Creek Studio war ebenso simpel wie effektiv: „Wir machen die Musik, die in uns ist, fügen aber immer neue Elemente in den Sound ein, damit es auch für uns spannend bleibt. Diesmal wollten wir etwas epischer, etwas härter klingen, einfach noch mehr nach dem Heavy Metal, den wir am meisten lieben. An mehr denken wir nicht.“ Deswegen sträubt sich der knallharte Hexenzirkel auch dagegen, einzelnen Songs den Vorrang zu geben. „Wir sind keine Band, die Singles schreibt“, lautet Ramonas bestimmtes Statement. „Uns geht es um die Liebe zum Heavy Metal, das ist alles.“ Sicher, mit „Circle Of Five“, „We Stand As One“ oder dem Titeltrack gibt es mehr als genügend furiose, Blasen schlagende Hymnen; für Burning Witches zählt – nennt das ruhig altmodisch – aber noch das ganze Album, vom Intro bis zum abschließenden Cover-Song.
Apropos Cover-Song: Nach „Holy Diver“ und „Battle Hymn“ ist diesmal „Hall Of The Mountain King“ der mächtigen Savatage dran – inklusive Gastsolos von Chris Caffery – was für eine Wahl, was für eine Interpretation! „Wir hatten zwar erst tierisch Lust darauf, Saxon zu covern, weil wir die Band schon so oft live gesehen haben; irgendwann schlug unsere Sängerin Laura dann aber den ‚Mountain King‘ vor und wir waren alle sofort begeistert von der Idee.“ Romanas Begeisterung ging sogar so weit, dass sie sich dasselbe Gitarrenmodell besorgte, mit dem der unvergessene Criss Oliva die Nummer 1987 einspielte. Mehr Hingabe geht nicht. „Wir wollen die Herkunft dieser Musik und unserer Band am Leben erhalten“, sagt die Bandchefin zu den längst traditionellen Cover-Songs. „Wir wollen die Wurzeln ehren und die Bands würdigen, die uns geprägt haben. Das, was wir sind, haben wir den alten Bands zu verdanken. Das bedeutet uns viel.“
Burning Witches sehen sich aber nicht nur in der Tradition klassischer, epischer Heavy-Metal-Kapellen. Wie schon das verwunschene Cover andeutet, geht es hier auch um etwas anderes, tieferes. Das Album würdigt die Druidinnen der keltischen Vergangenheit. Die weisen, naturverbundenen Frauen, die man um Rat fragt, die aber zur selben Zeit gefürchtet und unterdrückt wurden. In gewisser Weise sehen sich Burning Witches in der Tradition dieser Frauen. Denn fest steht: Dieser Zirkel lässt sich weder durch Vorurteile noch Scheiterhaufen oder Schmähschriften aufhalten. Die Ära der Hexen ist gekommen. Und wer jetzt nicht diesem schwarzmagischen Bund beitritt, der wird es auf ewig bereuen.
BURNING WITCHES – Diskografie:
Burning Witches (2017)
Hexenhammer (2018)
Dance With The Devil (2020)
The Witch Of The North (2021)